Abschiedsinterview zwischen Simone und Martin

31. Juli 2025 durch
Abschiedsinterview zwischen Simone und Martin
g, Admin Verbandsführung

Anfang & Treiber

Simone, vor etwa einem Jahr hast du dich entschieden, zum ZfV zu wechseln. Erinnerst du dich noch, was dich damals motiviert hat, ins Startup-Projekt einzusteigen?

Ich erinnere mich deutlich: Es war der Antrieb, die heute verfügbare Technologie sinnvoll zu nutzen, um Administratives effizienter zu gestalten – damit einer NPO mehr Zeit und Geld für den eigentlichen Zweck bleibt. Auch die Art der Zusammenarbeit hat mich angesprochen: angelehnt an Soziokratie 3.0 und selbstorganisiert.

Von Anfang an mitgestalten zu können – diese Chance zu erhalten, war für mich sehr verlockend.

Gab es für dich damals ein persönliches Motto oder einen inneren Kompass, an dem du dich orientiert hast?

Die Worte von Nelson Mandela: „I never lose. I either win or learn.“

Welche Erwartungen hattest du an die Zusammenarbeit – und was hat dich daran besonders gereizt?

Ich stellte mir vor, dass sie auf Augenhöhe stattfindet, dass es herausfordernd wird, viel zu lernen gibt und auch Spass macht. Mich reizte die Aussicht, zu sehen, wie Dinge schneller erledigt werden können. Ich hoffte, dass administrative Aufgaben dadurch effizienter werden.

Zusammenarbeit & Führungsrealität

Wir haben bewusst versucht, in einem soziokratischen Rahmen zu arbeiten. Wie hast du diese Form der Zusammenarbeit erlebt?

Zum Beispiel empfand ich die Check-ins und Check-outs als Balsam in hektischen Zeiten – sich kurz bewusst Zeit zu nehmen, um innezuhalten. Die Rollenklarheit hingegen war herausfordernd: Wo gehört was hin? Das haben wir versucht zu schärfen. Gleichzeitig habe ich gespürt, dass ich in einer soziokratischen Arbeitsweise viel mehr bei mir selbst sein muss. Ich kann mich nicht verstecken – ich vertrete meine Rolle und trage Verantwortung: für das, was ich tue, aber auch für das, was ich nicht tue.

Dass wir als Team gemeinsam das Geschäftsmodell geschärft haben – das wäre in einer klassischen Rollenverteilung wohl nicht passiert und liess uns zusammenwachsen.

Gleichzeitig hatten wir als neues Team und eher Soziokratie-Greenhorns (dich meine ich damit nicht 😉) noch viel Potenzial.

In dieser Phase: Wo hast du das Prinzip der Augenhöhe konkret gespürt – und wo hättest du dir mehr davon gewünscht?

Im Vergleich zu anderen Arbeitsverhältnissen habe ich viel Augenhöhe von dir gespürt. Du hast das nicht nur betont, sondern es ist dir auch gut gelungen. Auch ich hatte diesen Anspruch an mich selbst: gegenseitiger Respekt, offene und wertschätzende Kommunikation etc.

Gerade in selbstorganisierten Strukturen: Gab es Momente, in denen du dir dennoch klarere Führung oder stärkere Entscheidungskraft gewünscht hättest?

Rückblickend fiel es mir schwer, mich beim Arbeitsvolumen abzugrenzen und Prioritäten richtig zu setzen. Ich hatte das Gefühl, das ganz gut zu können – dachte ich zumindest. Als der zweite Verband dazukam und wir das IT-System noch nicht richtig durchblickten, wurde es erdrückend. Ich fühlte mich überrollt – Kontrollverlust. Da hätte ich mir eine:n Dirigent:in gewünscht. z.B. jemand der unsere Troubles mit dem System nimmt und dafür sorgt, dass sie gelöst werden. Oder eine Zeitzurückdrehspule, um mich besser vorbereiten, resp. meine Spannungen im Moment besser kommunizieren zu können :)

Trotz den diversen Spannungen – was hast du in der Zusammenarbeit mit mir als positiv erlebt?

Ich finde, Führungskräfte sind Menschen, die in hohem Masse Verantwortung übernehmen und voran gehen, empowern. Und das hast du mit viel Energie und Optimismus getan:

– Als ich mich überlastet fühlte, hast du sofort unterstützt.

– Du warst offen für Austausch.

– Dein Pragmatismus hat mich oft beeindruckt und inspiriert.

– Du hast uns einbezogen, uns Aufgaben zugetraut und zur Entwicklung ermutigt.

– Du hast die Vision nie aus den Augen verloren.

Hm, wolltest du/wir zu viel aufs Mal? Ich weiss es nicht.

Wahrscheinlich 😉


Spannungsfelder & Belastung

Welche Spannungen hast du im Projekt erlebt – sei es persönlich, organisatorisch oder im Team?

Wie oben erwähnt, fiel es mir zunehmend schwer, mich abzugrenzen. Gleichzeitig wollte ich gute Dienstleistungen erbringen und die Prozesse weiterentwickeln – das war für mich bei einem 50%-Pensum ein grosses Spannungsfeld. Im Team nahm ich anfänglich die Spannung wahr, dass wir uns schon gekannt haben, das ist für neue Teammitglieder nicht immer einfach einzuordnen – gerade in einem kleinen Team. Die gemeinsamen Mittagessen, Glacéschlecken oder zusammen unterwegs sein und dass ich auch mit dir nicht immer einer Meinung war, haben da sicherlich zur Entspannung geführt.

Wie bist du mit Situationen umgegangen, in denen Entscheidungen ausblieben oder verzögert wurden?

Das war schwierig für mich auszuhalten. So blieben gewisse Themen immer wieder ungelöst. Gleichzeitig fehlte mir in einigen Bereichen die Erfahrung, um die Sicherheit zu haben, selbst kompetente Entscheidungen zu treffen.

Gab es Momente, in denen du das Gefühl hattest, dich selbst zu verlieren oder dich zu sehr zu verbiegen?

Ja, besonders als der dritte Verband dazukam – nach bereits drei intensiven Monaten. Ich dachte, ich schaffe das. Doch das neue System, die Kommunikation mit dem Softwaredienstleister, die wiederkehrenden ungelösten Punkte...

Das war wie Wandern im Treibsand. Ich verlor die Perspektive und es kam der Gedanke: „Ich muss da raus – so kann ich nicht weiter.“

Ich bin kein Fan von zu viel Überzeit über längere Zeiträume. Ich brauche eine gute Balance zwischen Arbeit, Familie und Freizeit – sonst schwindet meine Motivation und Energie.

Ich sagte mal, wir müssen unsere Energie gut einteilen, um langfristig dranbleiben zu können. Und trotzdem verbrachte ich viel Zeit mit Arbeiten, weil ich dachte, sonst die Aufgaben nicht zu bewältigen. Und ja, das bewirkte etwas – ich fühlte mich wirksam. Doch für weitere Peaks hatte ich keine Reserven mehr.

Was war für dich in dieser Zeit besonders schwer auszuhalten – und was half dir, dennoch dranzubleiben?

Die Abhängigkeit von Informationen des Softwaredienstleisters – und das Gefühl, diese nicht ausreichend zu verstehen – war belastend.

Der Dialog im Team half, um Lösungen zu finden und das Gefühl zu haben, nicht allein zu sein. Dennoch hat mich das gefühlt langsame Weiterkommen in diesem Bereich demotiviert.

Der Wendepunkt

Wann hast du für dich gespürt, dass es so nicht weitergehen kann – war das ein klarer Moment oder eher ein Prozess?

Das war wohl ein klarer Moment am Ende eines längeren Prozesses :)

Ich habe meine Spannungen und Zweifel jeweils im Team kommuniziert – das gehört für mich zur Arbeit auf Augenhöhe. Nach Gesprächen war ich optimistisch. Doch am Ende des Tages zweifelte ich immer wieder, ob ich meine Kraft weiter in diese Arbeit stecken möchte. Ich hatte auch Angst, krank zu werden.

Wie bist du mit dieser Erkenntnis umgegangen – innerlich und im Hinblick auf dein Engagement im Projekt?

Es war ein Loyalitätskonflikt. Ich fand es schwer, den endgültigen Entschluss zu fassen. Ich hatte Angst, Menschen im Stich zu lassen oder zu enttäuschen.

Bin ich gescheitert? War es eine falsche Entscheidung?

Das waren unangenehme Fragen.

Die endgültige Entscheidung traf ich in freien Tagen – ohne Einfluss von aussen. Ich erkannte: Es ist nichts falsch daran. Ich lerne daraus. Es war ein Ja zu mir selbst und meiner mentalen Gesundheit.

Ich habe viel investiert – und habe wertvolle Erfahrungen und verbindende Begegnungen gewonnen, für die ich sehr dankbar bin.

Lernen & Reflexion

Was nimmst du aus dieser intensiven Zeit persönlich mit?

Das Learning: Dass das was ich sage, nicht immer so ankommt, wie ich es meine.

Und: Bereichernde Gespräche und Perspektivenwechsel.

Was würdest du anderen mitgeben, die in einem ähnlichen Setting arbeiten oder führen?

Gönn dir Pausen.

Kommuniziere offen und überprüfe, wie es angekommen ist.

Bleib dir treu.

Hör auf deine innere Stimme.

Vertrau auf deine Fähigkeiten.

Hol dir Unterstützung.

Sei mutig – es lohnt sich.

Was sollten der ZfV und wir als Team aus dieser Zeit lernen?

Dass gute Strukturen und klare Rollen auch in einem selbstorganisierten Setting entscheidend sind. Dass persönliche Grenzen ernst genommen und frühzeitig thematisiert werden müssen. Und dass man bei aller Vision nicht vergessen darf: nachhaltige Wirkung entsteht nur, wenn die Menschen langfristig mitgehen können – nicht im Dauerlauf, sondern im Rhythmus.

Was bräuchte es deiner Meinung nach, damit ein solches Projekt langfristig tragfähig bleibt?

Mehr Erfahrungswissen in der gewählten Technologie (z. B. Odoo), verlässliche und verständliche Prozesse, die Einhaltung der Zeitbudgets (evtl. durch einen Zeitbudget-Buddy, der einen nett darauf hinweist, wenn man dazu neigt, sich zu verlieren) – und Räume, in denen Belastung offen reflektiert und gesteuert werden kann (gibt es beim ZfV bereits), was wiederum bedingt, dass man sich auch gut und ehrlich reflektieren kann.

Abschied & Ausblick

Was lässt du zurück – und was nimmst du mit?

Ein cooles Team – und wertvolle Erfahrungen in einem Startup mit einer zukunftsweisenden Vision.

Gibt es etwas, das du zum Abschluss noch sagen oder klären möchtest?  Was würdest du dir selbst und mir mit auf den Weg geben?

Ich wünsche dem ZfV und dem tollen Team viel Energie, Kreativität und Durchhaltevermögen in stürmischen Zeiten. Ich freue mich, dass mit Lukas ein superkompetenter Mensch dazukommt – und wünsche ihm einen guten Start!

Mir würde ich mehr Weitblick und Vertrauen und dir das Motto “Eis nachem andere” mitgeben.

Uns beiden hätte ich von anfang an mehr Odoo-Erfahrung gewünscht.

Wo werden sich unsere Wege wieder kreuzen?

Auf dem Mountainbike? Beim Aareschwumm? Oder kommt mal für einen Teamausflug an den Bielersee – und dann spielen wir Tischtennis 😉

Danke Simone für diesen offenen Austausch. Aber vor allem für dein Engagement, dein Mitdenken, dein Anpacken und dass du dabei warst. Du warst wichtig, hast grossartiges geleistet und wirst uns und mir fehlen. Alles Gute, privat und beruflich, wo du wieder in die Soziale Arbeit zurückkehrst. Mach’s guet und bis glii.

Abschiedsinterview zwischen Simone und Martin
g, Admin Verbandsführung 31. Juli 2025
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