"Ich weiss es besser und mache es daher selber" – Warum das oft die beste (und gleichzeitig schlechteste) Entscheidung ist

2. März 2025 durch
"Ich weiss es besser und mache es daher selber" – Warum das oft die beste (und gleichzeitig schlechteste) Entscheidung ist
ZfV - Zentrum für Verbandsführung AG, Martin Diethelm

Warum es verlockend ist, alles selbst zu machen

Als Vorstandsmitglied kennt man die eigene Organisation in- und auswendig. Man weiss genau, was zu tun ist, und hat eine klare Vision vor Augen. Daher erscheint es oft einfacher, Dinge selbst zu erledigen – sei es eine strategische Entscheidung oder eine operative Aufgabe. Schliesslich weiss man selbst am besten, wie es geht, und kann sicherstellen, dass alles genau nach den eigenen Vorstellungen umgesetzt wird.

Die Vorteile liegen auf der Hand: 

  • Maximale Kontrolle: Niemand verändert etwas, ohne dass man es selbst überblickt.
  • Effizienz und Geschwindigkeit: Anstatt lange zu erklären, erledigt man es direkt selbst.
  • Vermeidung von Fehlern: Wenn man es selbst macht, ist es „richtig“ – zumindest aus der eigenen Sicht.

Gerade in kleineren Verbänden erscheint diese Denkweise besonders naheliegend. Oft fehlen Ressourcen, um Aufgaben an Mitarbeitende oder eine Geschäftsstelle zu delegieren. Zudem möchte man nah dran bleiben und sicherstellen, dass die eigene Vision genau umgesetzt wird.

Die versteckte Gefahr: Überlastung und fehlender Weitblick

Doch genau hier liegt das Problem: Wer sich ständig um alles selbst kümmert, verliert leicht den Blick für das grosse Ganze. Das Tagesgeschäft nimmt überhand, während strategische Themen in den Hintergrund rücken.

Das Ergebnis?

  • Wichtige Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Organisation bleiben auf der Strecke.
  • Der Vorstand steckt in operativen Details fest, anstatt langfristige Ziele zu verfolgen.
  • Die eigene Arbeitsbelastung wächst, was schnell zu Überforderung führt.

Ein persönliches Beispiel – Warum ich lernen musste loszulassen

Ich kenne dieses Dilemma aus eigener Erfahrung. Als Initiator und Gründer des ZfV hatte ich immer eine klare Vorstellung davon, wohin die Reise gehen soll und welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt. Mein Kopf war voller neuer Ideen, und ich konnte es mir leisten, 24 Stunden am Tag an das ZfV zu denken.

Diese Leidenschaft führte aber auch dazu, dass ich glaubte, alles selbst machen zu müssen – von grossen strategischen Entscheidungen bis hin zu kleinen operativen Aufgaben.

Das Problem?

  • Ich überforderte nicht nur mich selbst, sondern auch mein Team.
  • Ich nahm anderen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen.
  • Ich beraubte mich selbst der Möglichkeit, neue Perspektiven kennenzulernen.

Erst als ich begann, Aufgaben bewusst abzugeben, konnte mein Team seine Stärken entfalten. So kristallisieren sich auch ihre Vorlieben und Stärken heraus, die ich sonst gar nicht bemerkt hätte und sie selber können diese auch besser benennen, wenn sie nicht das Gefühl haben, der "Chef" kann und macht eh alles selbst. Erst der Freiraum lässt dies zu.

Es ist oftmals banal. Aber ich bin mir sicher, dass wir schon oftmals beobachtet haben, dass wenn Menschen aus in einer “Notsituation”, weil zum Beispiel eine Leitung ausfiel, etwas übernehmen mussten, sie diese Rolle sehr gut ausfüllen konnten. “Nicht gekannte Stärken tauchten auf” wird das dann in den Dankesreden genannt. Und selbstkritisch  müssen  wir uns fragen, warum sahen wir diese Stärken nicht vorher? Oder wie können wir diese Potenziale auch ohne Notsituationen erreichen?

Die Lösung: Weniger tun, mehr erreichen

Der Autor Rolf Dobelli beschreibt in seinem Buch „Die Not-To-Do-Liste“ genau dieses Phänomen: Wer zu allem „Ja“ sagt und immer selbst anpackt, verliert seinen Fokus und überlastet sich.

Sein Rat:

  • Prioritäten setzen – Nicht alles ist gleich wichtig.
  • Aufgaben delegieren – Wer Verantwortung abgibt, schafft Freiraum für strategische Arbeit.
  • Den eigenen Fokus schärfen – Führung bedeutet, das grosse Ganze im Blick zu behalten.

Ein Praxisbeispiel – Wenn operative Aufgaben die Strategie verdrängen

Ein Verein wollte eine Tagung organisieren, um seine Positionierung zu stärken und die Gemeinschaft zu fördern. Die Idee wurde begeistert aufgenommen, und viele Vorstandsmitglieder brachten sich aktiv ein. Doch bald gab es ein Problem:

Vorstandssitzungen wurden zunehmend von Planungsdetails dominiert, die eigentliche Strategiearbeit geriet in den Hintergrund.

Trotz klarer Rollenverteilung übernahm der Vorstand immer mehr organisatorische Aufgaben.

Wie konnte es dazu kommen?

Die Vorstandsmitglieder identifizierten sich stark mit dem Verein und wollten, dass alles perfekt läuft. Ihr grosses Engagement war Ausdruck von Verbundenheit – nicht von Misstrauen gegenüber anderen. Doch genau hier lag das Dilemma: Indem sie alles selbst machen wollten, blockierten sie unbewusst den strategischen Fortschritt.

Fazit: Fokus auf das Wesentliche

Ich habe gelernt, dass ich nicht alles wissen und machen muss – auch wenn ich die Vision für das ZfV im Kopf habe. Wenn ich loslasse und Verantwortung übertrage, entstehen neue Ideen, und mein Team wächst mit an diesen Herausforderungen. Ich kreiere also aktiv "Notsituationen" und es gibt auch kein Backup. 

Das gilt auch für alle anderen Vorstände:- Ihr müsst nicht alles selbst erledigen. Eure Stärke oder Aufgabe liegt in der Strategie, der Führung und der Vision – nicht in jedem einzelnen Detail des Tagesgeschäfts.

Noch ein (Verkaufs-)Gedanke zum Schluss

Selbst die Geschäftsstellenführung muss nicht immer in den eigenen Händen liegen respektive selber geführt werden. Wenn es bessere Lösungen gibt, sollte man sie nutzen. Das ZfV kann hier ein verlässlicher Partner sein und effiziente Strukturen und Technologien bereitstellen – damit ihr mehr Zeit für das Wesentliche habt: die strategische Weiterentwicklung, die Facharbeit und  die Führung eurer Organisation.

PS: Danke an Matheus Frade für das Bild. Es erinnerte  mich an ein anderes Erlebnis. Ich koche gerne und habe oft auch die Teigwaren selber gemacht. Nur das letzte Mal gelang mir "auf die Schnelle" der Teig nicht. So rannte ich schnell in die Migros und kaufte ausgerollten Teig und lernte: Auch den Teig muss ich nicht immer selber machen.


"Ich weiss es besser und mache es daher selber" – Warum das oft die beste (und gleichzeitig schlechteste) Entscheidung ist
ZfV - Zentrum für Verbandsführung AG, Martin Diethelm 2. März 2025
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