Knowhow ist das Kapital von Non-Profit-Organisationen. Es besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: 1. Sachkompetenzen – das Wissen. 2. Methodenkompetenz – die Fähigkeit, Wissen anzuwenden. 3. Sozialkompetenzen – die ‘nötigen’ Soft Skills, dank welchen dieses Anwenden wie gewünscht wirkt. Oftmals beschränken sich Organisationen auf ein Wissensmanagement. Das ist das Einfachste.
Doch Methoden- und Sozialkompetenzen sind genauso wichtig, allerdings grossteils an Personen gebunden. Und verlässt eine Person die Organisation, geht dieser Teil des Knowhows mit ihr. Das muss nicht sein. Sich um den Transfer von ganz oder teilweise personengebunden Knowhows zu kümmern, schafft Mehrwert für Organisation, Nachfolgende sowie Austretende. Wie dieser Transfer funktioniert, beleuchtet das Folgende.
Als der sehr langjährige Grossspende-Fundraiser kündigte, war in seiner Organisation allen klar, sein Knowhow und Netzwerk muss zurückbehalten und also eine Nachfolge rasch gefunden werden. Es ging um pures Gold. Und es wurde ein veritables Programm für die Übergabe zusammengestellt und alles daran gesetzt, einen Einbruch zu vermeiden. Ganz anders dagegen als in einer anderen NGO die erfahrene Campaignerin gehen musste: Es gab einen Apero sowie eine Lücke, bis ein paar Monate später ein Nachfolger die Kampagne neu aufsetzte – als ob Lehren aus der bisherigen Kampagne, auch wenn sie nur suboptimal lief, nicht auch Gold wert wären.
Nützliche Dokumente
- Roadmap ‘Knowhow-Transfer’: ein Modell dafür ist das Vierphasen-Verfahren.
- Selbstlern-Briefing für die Nachfolge sowie Modell-Workshop zur Vorbereitung der Austretenden
- Vorlage für eine «Liste die Arbeitsbereiche bzw. –Pakete mit den Hauptaktivitäten»
- Mind Map Tool für das Knowhow-Mapping
- Methodenliste für den Transfer
- Realer Fall: Das wichtigste Knowhow mit dieser Vorlage sammeln.
- Onboarding: Leitfaden für Newcomer-Guide und für Peer-Buddying.
Natürlich gibt es zahlreiche Fälle von Wechseln, die kaum oder gar kein Übergabeprogramm brauchen. Etwa dann, wenn keine organisationspezifischen Kompetenzen im Spiel sind, also für Jobs, für die man auf dem Arbeitsmarkt die nötigen Fähigkeiten findet. So genügt für einen Wechsel in der IT in der Regel ein standardisierter Austrittsprozess: Dokumente geordnet ablegen, Datenbank nachführen, dafür sorgen, dass es etwas Überlappungszeit mit der Nachfolge gibt (geht das nicht, amtet die Vorgesetzte als ‘Zwischenlager’: Übernimmt von der Austretenden, übergibt an den Nachfolger). Der Standardprozess deckt freilich oft nur das Wissensmanagement ab.
Je länger im Job und je spezifischer das Knowhow desto mehr Übergabeprozess
Doch bei einem Wechsel z.B. im Kommunikationsteam braucht dieser Prozess den Zusatz, organisationspezifisches Knowhow zu sichern, wie etwa Medienkontakte oder das Können, Stories gut zu ‘tellen’ und diese zu kennen. Noch mehr getan werden muss beim Austritt zentraler Knowhow-Tragenden, wie etwa der erwähnte Fundraiser. In solchen Fällen braucht es mehr als diesen Zusatz, um zu vermeiden, dass mit der Person zu viel Knowhow geht.
Faustregel: Je länger die Person in der Organisation und je näher ihre Aufgabe am Kern der Organisation war, desto umfassender müsste der Prozess sein. Doch was nun tun bei solchen Abgängen?
Einerseits ebenfalls das Standardmässige: Wissensmanagement ist immer nötig.
Andererseits braucht es gezielte Transfers für jene Teile des Knowhows, die an die Person gebunden sind. Und diese sind häufig gar nicht bewusst. Zum Beispiel könnte der Erfolg des Fundraisers auf dessen – ihm unbewusste – Fähigkeit beruhen, zu Grossspender:innen eine echte Beziehung aufbauen zu können. In solchen Fällen ist die Übergabe mit dem Nachführen der Datenbank und einer Liste der Kontakte nicht getan.
Wichtiges Knowhow ist auch oft in Alltagsroutinen versteckt; etwa darin, wie ein Routinier intuitiv entscheidet, was er liest und was nicht. Oder welche Kontakte er wie pflegt usw. Ein solches implizites Knowhow kann auch sein, dass die bald in Pension gehende Führungsperson, die über die Jahre hinweg ein Gefühl für die Organisationskultur entwickelt hat, intuitiv weiss, was geht und was nicht.
Welcher Prozess?
Solche Schätze zu bergen, ist die Kunst des Transfers personengebundenen Knowhows. Doch bevor man bergen kann, muss man den Schatz erkennen. Für Transfer und Detektion braucht es ein strukturell verankertes Verfahren mit folgenden Elementen:
- Ein ‘Frühmeldesystem’, mit dem früh festgestellt werden kann, wenn jemand geht, ob die Person Knowhow-tragend und/oder langjährig Mitarbeitende ist.
- Und falls nein, genügt das Standardaustrittsverfahren
- Und falls ja, relevantes Knowhow ‘mappen’ (Knowhow-Landkarte erstellen; s. Kasten) und zusammen mit dem betroffenen Team Spreu vom Weizen trennen (s. Kasten) und für nachfolgende Person geeignete Transfer-Methoden einsetzen.
- Nota bene: Es kann nie alles Knowhow weitergegeben werden, aber doch einiges.
Der ideale Fall
Der ist dann der Fall, wenn die austretende Person mit viel Vorlauf und im Guten geht und mit ihrem Team Folgendes vorbereitet wird (Vorlagen sind im Kasten «nützliche Dokumente» zu finden):
- Die Haltungen der Hauptpersonen:
- Schwammhaltung bei Nachfolger:in: Das heisst, aufsaugen, was gezeigt, geübt, gesagt und erklärt wird. Später wird Zeit sein, auszusortieren, was nicht passt. Diese Haltung kann mit einer Selbstlern-Sequenz vermittelt werden. Für Zeit und die Unterstützung des Teams sorgen.
- Mentorhaltung bei Austretenden: Also kein direktives, sondern zurückhaltendes Weitergeben, um den Nachfolgenden zu ermöglichen, in die Rolle hineinzuwachsen. Dafür braucht es einen Halbtages-Workshop oder ein Einführungs-Webinar. - Liste der Aufgaben (siehe Vorlage): In einer Liste die Arbeitsbereiche bzw. –Pakete mit den Hauptaktivitäten erfassen und mit den entsprechenden und abgelegten Dokumenten verlinken
- Knowhow erfassen: Mit einem Mapping das weitere, auch das implizite Knowhow aufspüren und festhalten.
- Der Liste und dem Mapping wird das “Gapping” des Nachfolgers gegenübergestellt: Welche Lücken hat er, die primär geschlossen werden müssen? Was deckt er schon ab? Damit können die Transferteile priorisiert werden.
- Netzwerkübergabe: Internes wie externes Netzwerk nach Relevanz ordnen und die Übergabe planen, inklusive wichtige Stakeholder persönlich einführen (nicht nur e-mail-Liste übergeben)
- Nicht Offensichtliches: Organisationskulturelles Wissen explorieren und erfassen und entscheiden, was transferieren oder wie anders in der Organisation zurückbehalten.
Dabei bei jedem Schritt entscheiden, was relevant ist und was nicht. Das ist nicht einfach! Vorbildlich sind deshalb jene NGOs, die das vorhandene Knowhow bewusst pflegen und dafür sorgen, dass Wichtiges auf mehrere Personen verteilt wird (z.B. mit Stellvertretungen).
Nicht jede Übergabe muss lange dauern. Manchmal kann man auch kurzen Prozess machen. Der Transfer soll jedoch stets bewusst und strukturiert sein. Es genügt nicht, die Ablage auf dem Server zu zeigen und zu sagen: “Schau dir das mal an und frage, wenn etwas nicht klar ist”.
Wie transferieren – welche Methoden?
Für den Transferprozess können verschiedene Methoden eingesetzt werden, besonders wichtig sind praktische Einübungssequenzen durch Training, begleitetes Üben und Shadowing. Oder auch mittels Interviews: Der Nachfolger fragt die Austretende das, was seinen Lernbedürfnissen entspricht.
Um solche Lerngelegenheiten zu organisieren, braucht es den oben erwähnten Prozess mit einem Mapping des Knowhows als Kern. Das nützt freilich wenig, wenn das Relevante nicht praxisnah übergeben wird. Wenn also die Campaignerin den lokalen Ölhändler zur Raison gebracht hat, weil sie gut zuhören kann und dadurch eine Lösung mit ihm aushandeln konnte, nützt es nicht viel zu festzuhalten “gutes Campaigning heisst gut zuhören können”. Ihre Zuhörgabe kann sie nicht einfach so weitergeben. Wenn aber der Nachfolger eine Gelegenheit bekommt, sie beispielsweise bei einer Verhandlung zu beobachten, kann er Zugang zu dieser Gabe finden.
Nota bene: Austretende sind oft zu einem Mentoring nach dem Austritt bereit. Sie müssen nur gefragt werden und die Nachfolgenden bereit sein, die Sitzungen zu organisieren, also z.B. einmal im Monat per Videokonferenz über die Herausforderungen zu sprechen.
Der häufige reale Fall
Die Realität ist oft eine andere, z.B.: Gestern gekündigt, und nach Abzug der Ferientage und Überzeit bleibt noch eine Woche zum Aufräumen und Übergeben. Doch ist man etwas vorbereitet, kann vermieden werden, dass nur das Minimale getan wird (nämlich: Dokumente ablegen und das Abgelegte dem Nachfolger zeigen). Es ist möglich, aufwandsarm recht viel mehr zu transferieren:
Abgängerseits: Zum Beispiel kann mit einem fokussierten Interview mit der Abgänger das Wichtigste aus ihrer Sicht fest- und dadurch zurückbehalten werden (Vorlage siehe Kasten).
Nachfolgeseits: Mit zwei Onboarding-Supportmassnahmen guten Boden in der Organisation schaffen, nämlich mit
(1) Peer-Learning, d.h. zwei Newcomers bilden während ein paar Monate ein Peer-Buddy-Paar, um das viele Neue gemeinsam zu verdauen, was das Verdauen erleichtert und verbessert.
(2) einem Onboarding-Guide: Eine langjährige Mitarbeiterin amtet als Navigationshilfe für einen Newcomer, um sich so besser in der Organisation zurechtzufinden.
Viel Erfolg beim Transfer wünscht,
Kuno Roth, Writer, Co President at Solafrica // Freelancer for L&D, mainly Mentoring & Coaching for NGOs (e.g. Greenpeace)
PS: Mit dem intra- und inter-organisationalen Transfer gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt der Knowhow-Pflege. Ein Beispiel wäre etwa das erfolgreiche Public Fundraising des einen Büros auf ein anderes zu übertragen. Das geht zwar nie 1:1, kann aber verhindern, dass bereits erfundene Räder nochmals oder parallel erfunden werden. Mehr dazu in der zweiten Kolumne zum Knowhow-Transfer.
[1] Mit Frühmeldesystem ist gemeint, dass voraussehbare Abgänge wie Pensionierung, temporäre Verträge oder Outsourcing früh geplant werden. Und Mapping meint, dass die Kompetenzen und das Wissen erfasst und durch das betroffene Team ergänzt werden (mithin braucht es Anpassungen der Job Description).
[2] Sich gemeinsam klar zu werden, was Spreu und was Weizen ist, beinhaltet den wichtigen Entscheid, was von künftiger Relevanz ist. Dabei ist mit ‘zusammen’ die beiden Hauptpersonen, aber auch das Team, der Kreis und auch die Organisation gemeint. Zentral sind die Fragen: Welches Knowhow ist nur intern lernbar? Welches Knowhow ist auch für andere relevant und soll deshalb auf mehrere Träger:innen verteilt werden? n …