Peer Learning: Natürliches Lern-Setting fördern

von Gastblogger Kuno Roth
4 avril 2025 par
Peer Learning: Natürliches Lern-Setting fördern
Admin Verbandsführung

Peer Learning ist von der Kita über die Clique und Selbsthilfegruppe bis zum Leadership-Kurs und Pro-Senectute-Anlass eine effektive, günstige und praxisnahe Lernmethode. Anlässe, die Methode im Rahmen einer NPO einzusetzen sind Transferteil eines Kurses, beim Onboarding und on-the-job - das auch organisationsübergreifend.

Mehr als 6 Milliarden Franken werden in der Schweiz pro Jahr für berufliche Weiterbildung ausgegeben, die meist in Form von Kursen stattfindet [1]. Die hohe Bereitschaft von Firmen und Organisationen, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren, ist eindrücklich und lobenswert [2]. Auch eindrücklich ist aber, wie selten diese Investitionen die gewünschten Resultate zeitigen. So zeigen eine Studie aus Deutschland sowie zwei Untersuchungen aus den USA, dass zwei Drittel dieser Investitionen nicht die beabsichtigte Wirkung erzielen, nämlich einen Teil des Gelernten später im Betrieb tatsächlich anzuwenden [3]. Zwar wurden diese Studien mit Pro-Profit-Firmen durchgeführt, doch vermutlich ist dies im Non-Profit-Bereich ähnlich.

Ein Grund, weshalb Kurse nicht wie gewünscht wirken, ist meiner Erfahrung nach, dass nach einer Weiterbildung oftmals eine Unterstützung im Betrieb fehlt, um das Gelernte in die Praxis zu transferieren; deshalb ändert sich in dieser meist nicht viel. Sei es, weil der Betrieb oder die vorgesetzte Person eigentlich nichts ändern will, weil der volle Alltag verhindert, Gelerntes auszuprobieren oder sei es, weil die Absolventin mit dem Gelernten allein gelassen wird.

Das Problem wird von der verbreiteten Mentalität verschärft, ein auftretendes Betriebsproblem mit einem Kurs beheben zu wollen, also wenn z.B. Mängel in der Feedbackkultur festgestellt werden, die Angestellten durch einen entsprechenden Kurs zu schleusen und zu meinen, damit sei das Problem aus der Welt geschafft. Ist es in aller Regel aber nicht. 

Lern-Transfer nach dem Kurs
Gerade in solchen Fällen wäre der Lern-Transfer ja besonders wichtig und es sollte erst recht gelten: Kein Kurs ohne Transferplan und Follow-up, z.B. mit Mentoring, Coaching, Praktikum, Auffrischmodulen und/oder mit der einfachsten und natürlichsten Lern(transfer)methode, dem Peer Learning, zu deutsch kollegiales Lernen.

Eigentlich müssten wie im Teamsport immer wieder Übungsanlässe – das Training – organisiert werden: Zusammen praxisnah immer wieder zu üben, ist eine der wirksamsten Lernmethoden, also das «Lernen von und mit Seinesgleichen». 

Im Beispiel eines Kurses oder des Onboardings kann das wie folgt aussehen: Am Ende des Kurses – oder besser: für den selbstverständlich dazugehörenden Praxistransfer-Teil des Kurses -  tun sich zwei Teilnehmende als Lerngruppe zusammen. Entweder selbstorganisiert oder von der Kursleitung gematcht. Und noch bevor sie den Theorieraum verlassen, wird ein erster Peer-Lerntermin abgemacht (z.B. in Form eines e-Kaffees). Dieses Lerntreffen könnte für einen Feedback-Kurs so aussehen, dass die eine Peer etwas 10 Minuten mit dem Feedback, das sie einem Teamkollegen geben will, zuerst mit dem Peer als Sparringpartner übt, und dieser eine Rückmeldung gibt, wie es auf ihn gewirkt hat. Dann Rollen tauschen. Abschliessen, nächstes Treffen vereinbaren. Sich sechs mal treffen und im Sparring üben wird es viel wahrscheinlicher machen, dass Feedback geben zur Organisationskultur wird. 

Das gleiche kann auch beim Onboarding angewandt werden: einmal die Woche bei einem Kaffee über die Herausforderung in der neuen Organisation austauschen. Es hilft schon zu sehen, dass man nicht alleine ist mit den Schwierigkeiten - zusammen verdaut sich besser und man wagt eher rückzumelden, wenn ein Onboarding-Modul ungut war – was der Organisation hilft, ihr Onboarding zu verbessern. Und wenn man es schafft, die «Peer-Paare» (oder -Trios) aufwandsarm zu arrangieren und selbstorganisiert laufen zu lassen, ist Peer Learning kostengünstig und die erste Wahl, weil wirksam. 

Von Seinesgleichen kursunabhängig lernen
Neben dem Anlass “Kurs” oder “Training” gibt es noch andere Peer Learning Anlässe in Form von “Lernen aus den Erfahrungen anderer in ähnlicher Situation”. Die bekannteste Art dafür sind Selbsthilfegruppen. Diese sind erfolgreich, weil alle gleich sind und alle die Herausforderungen zum Thema der Gruppe aus dem eigenen Alltag gut kennen. Sie lernen durch Erfahrungsaustausch von einander. So ist einer, der es geschafft hat, vom Alkohol loszukommen, für einen, der das auch möchte, ein lehrreiches Vorbild à la: Wenn der das konnte, habe ich auch eine reale Chance. 

In Organisationen sind die Communities of Practice im Prinzip solche Selbsthilfegruppen. Eine Community ist dann erfolgreich, wenn die Beteiligten intrinsisch motiviert sind, von ihresgleichen zu lernen, um ihre Praxis zu verbessern, bereit sind, ihre Erfahrungen offen zu teilen und miteinander in lernender Verbindung stehen zu wollen. Sie bringen sich dabei ein, hören sich zu, beraten sich gegenseitig in “Case Clinics” (auch Intervision genannt) und tauschen über Fehler aus – und schaffen so Mehrwert. Dafür braucht es eine homöopathische Dosis Administration – ganz ohne geht’s nicht. 

Peer-Learning als Kultur etablieren
Je nach Form wird also das «Lernen von und mit Seinesgleichen» «peer review» (kollegiale Überprüfung), «peer support» (kollegiale Beratung; Intervision), «peer mentoring/coaching” oder «peer learning» (miteinander lernen) genannt. Oft sind es Mischformen; so ist in einer Community of Practice die “Case Clinic” eine kollegiale Beratung und das Teilen von good practice ein Peer Learning. 

Lernen von Seinesgleichen ist eine Art natürliches Lernen: Schon bei Kindern geschieht es ohne weiteres, nämlich von den Schulkamerad:innen und in der Clique durch Nachahmen oder Abgucken zu lernen (im Guten wie im weniger Guten freilich … der Punkt hier ist nur die Effektivität des Lernens, nicht der Inhalt des Gelernten). So auch, wenn sich Gesundheitspolitiker, Lehrkräfte oder Kampaignerinnen über Erfolge, Fehler und Herausforderungen austauschen und so  gegenseitig ihre Praxis verbessern. Viel passiert dabei informell – und das soll so bleiben und sollte gefördert werden: Wenn man Rückmeldung zu einem Entwurf der Kollegin gibt, wenn einer an der Teamsitzung von einem Erfolg oder Fehler erzählt, wenn bei der Kaffeemaschine gefragt wird, was würdest du hier tun. Oder im Alltag, wenn Kochrezepte unter Freund:innen mit ähnlichen Kochkünsten ausgetauscht werden oder nachbarschaftlich beim Gärtnern beraten wird. Bref: In der Praxis für die Praxis lernen.

Im beruflichen Kontext sollte das Lernen von und mit Peers arrangiert oder zumindest ermutigt werden und somit für alle Weiterbildung selbstverständlich werden. Denn um den Transfer von der Theorie in die geht es schliesslich. Eigentlich dafür werden die 6 Milliarden investiert. Mehr zu den konkreten Praxen des Transfers und mehr im zweiten Teil der Kolumne.

PS: Hinzu kommt, dass Peer Learning in einer zunehmend volatilen und fragilen Welt auch emotionalen Support gibt. Ich vermute, dass dieser emotionale Anteil kollegiales Lernen so effektiv macht: Unter Seinesgleichen kann man offener über Schwierigkeiten sprechen und direkter von gelingender Praxis der anderen lernen. 

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[1] Die einzige dazu gefundene Untersuchung von Dolores Messer und Stefan Wolfers stammt von 2009, Zitat: «Eine Hochrechnung (…) zeigt ein grosses Marktvolumen in der Höhe von rund 1% des Bruttoinlandproduktes (BIP) oder 5,3 Mrd. Franken. Rund die Hälfte dieses Volumens wird von den Nachfragenden selbst bezahlt; für den Rest kommen die Arbeitgeber oder staatliche Institutionen auf.» Diese Zahl dürfte in den letzten 15 Jahren um einiges gestiegen sein.

[2] Siehe “Weiterbildung in Unternehmen”, Bundesamt für Statistik (2017; Zahlen von 2015 – bisher keine neueren) sowie den Kommentardazu der Schweizerischen Vereinigung für Erwachsenenbildung, SVEB , wo es u.a. heisst, dass 89% der Unternehmungen mit mehr als 10 Mitarbeitenden in berufliche Weiterbildung investieren.

[3] Studie aus Deutschland: gemäss Psychologie Heute vom März 2013). Untersuchungen aus den USA: siehe FORBES 2016 bzw. Harvard Business Review 2017.

Peer Learning: Natürliches Lern-Setting fördern
Admin Verbandsführung 4 avril 2025
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